Veröffentlicht im DEAR Magazin (baunetz id)
Anlässlich des Salone del Mobile 2017 habe ich in Mailand das Duo GamFratesi getroffen und zu seiner neuen Leuchte Yuh für Louis Poulsen interviewt. Originalbeitrag lesen bei baunetz id…
Das Duo verbindet italienischen Stil mit skandinavischem Twist. Für Louis Poulsen haben Stine Gam und Enrico Fratesi zuletzt eine wendige Leuchtenfamilie entworfen, die sich am Erbe des dänischen Herstellers orientiert.
Stine Gam, Enrico Fratesi, haben Sie gerade einen Klassiker entworfen?
Enrico Fratesi: Ich würde eher sagen, wenn etwas ein Klassiker wird, dann haben wir als Designer etwas richtig gemacht. Alles andere wäre ein viel zu großer Druck.
Stine Gam: So etwas kann man erst mit der Zeit sehen. Natürlich wäre es das Beste, was passieren kann.
Mit Yuh stellen Sie eine Leuchte vor, die problemlos mit der Leuchte AJ von Arne Jacobsen für Louis Poulsen als Duo auftreten könnte.
EF: Das stimmt, das könnte sie wohl. Aber das Design ist natürlich anders, Yuh ist zeitgemäßer, flexibler, während AJ viel statischer ist. Letztendlich ist unser Ziel jedoch immer, mit der DNA einer Marke zu arbeiten.
Wie würden Sie die DNA dieser Leuchte beschreiben?
EF: In ihrer Ästhetik, der Form und Funktion ist die Leuchte sehr dänisch. Betrachtet man aber, wie die Funktionalität und Beweglichkeit umgesetzt wurde, ist sie eher italienisch – in dem Sinne, wie für sie Grenzen der Machbarkeit ausgelotet worden sind.
Wie kam es zu Yuh?
EF: Wir wurden von Louis Poulsen angefragt, eine Tisch-, Steh- und Wandleuchte zu gestalten. Dabei hatten wir generell freie Hand. Unsere Idee war es, ein Produkt zu entwickeln, das nur wenig Raum einnimmt, dabei aber eine hohe Beweglichkeit aufweist. Hierbei spielen die Verstellbarkeit von unten nach oben, die Drehung des Schirms und die Neigung eine bedeutende Rolle.
SG: Natürlich waren wir insofern beeinflusst, als dass wir das Erbe des Herstellers einbinden wollten. Wir wurden direkt von der AJ-Leuchte inspiriert. Auch da gibt es den Kreis, der parallel zum Boden verläuft, die Linien und Formen ähneln sich. Daneben haben wir das gedämpfte Licht der Leuchte PH von Poul Henningsen, das wir durch den Diffusor erreichen. Die Lichtquelle bleibt damit immer verborgen.
Wofür steht der Name?
EF: Yuh klingt phonetisch gleich wie das Wort „you“. Die Leuchte ist schließlich stets so ausgerichtet, wie du sie brauchst. Sie ist flexibel wie eine Arbeitsleuchte, ohne aber genauso technisch zu wirken.
SG: Dabei ist die Form sehr geometrisch – eigentlich nur ein Kreis und eine Linie – und sie wird beeinflusst von der Bewegung. Dieser Einschnitt ermöglicht die Neigung, und mit ihm wird die Kreisform zur Linie. Das gibt ihr diese Originalität. Yuh hat all diese Funktionen, ohne kompliziert auszusehen. Sie wirkt eigentlich sehr, sehr einfach.
Mit der Leuchte Yuh, einem Sessel für Porro, der aktuellen Showroom-Präsentation für Kvadrat und einem Schaufenster für Hermès sind Sie viel im Designbereich unterwegs – arbeiten Sie eigentlich noch als Architekten?
EF: Tatsächlich steigt im Augenblick die Zahl der Architekturprojekte. In Paris haben wir eine Brasserie und ein Restaurant auf den Champs-Élysées gestaltet. In Kopenhagen ein Restaurant. Und auch den Messestand von Louis Poulsen auf der Euroluce in Mailand haben wir mit sehr architektonischem Anspruch entworfen.
Ein weißer Kubus mit angedeuteten Treppen, teilweise kopfüber.
EF: Wir haben ihn ein wenig wie eine Pop-up-Karte gestaltet. Es wurden gewisse Schnitte gesetzt, um sie dann auffalten zu können. Zunächst haben wir das in Papier erarbeitet und dann in diese Wände hier übersetzt.
Wird es mehr Projekte von GamFratesi für Louis Poulsen geben?
EF: Davon kann man ausgehen. Statt mit vielen Herstellern zusammenzuarbeiten, bevorzugen wir es, Kollektionen weiterzuentwickeln. Wie bei Gubi beispielsweise, einem der ersten Unternehmen, mit dem wir zusammengearbeitet haben. Das war 2008: Seither ist die Kollektion immer weiter gewachsen, und das werden wir auch hier versuchen. So lernen wir die Firmen zu verstehen, und die Leute verstehen auch uns: GamFratesi.
Fotos: Petra Kleis / Louis Poulsen