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Schwarze Armaturen, smarte Duschen und schwerelose Möbel: Die ISH 2019 liefert alles was das Herz begehrt, aber kaum Antworten auf die Realität. Lesen Sie meinen umfassenden Messenachbericht mit allen Fotos bei Stylepark.


Das Bad wird, so zeigt es die ISH 2019 in Frankfurt am Main, zum neuen Alltagsmittelpunkt – als Spa, Begegnungsort und Kultstätte der Körperhygiene für eine erholungsbedürftige Gesellschaft. Empfangen wir unsere Gäste bald zwischen Wannenrand und Bücherregal? Kann gut sein! Denn die Szenerien, die manche Badaussteller auf der Weltleitmesse für Wasser, Wärme und Klima präsentieren, bieten ungeahnte Aufenthaltsqualitäten. Der Sanitärbereich verliert an Intimität – das Bad der nächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte, will ausdrücklich hergezeigt werden.

Am deutlichsten drückt sich das in Entwürfen wie den farbig-transparenten Wannen und Waschtischen von Antonio Lupi aus. Mit Christalmood, einem Kunstharz, das erstmals zum Salone del Mobile 2018 vorgestellt wurde, inszeniert der italienische Hersteller das Wasser als Quell des Lebens. Die Produkte sind – aufsehenerregend! Präsentiert werden sie am Messestand neben Utrecht-Sesseln von Gerrit Rietveld, einem Entwurf von 1935, der einst seiner Zeit weit voraus war und erst Ende der Achtziger bei Cassina in die Produktion fand. Rückblenden, wie sie aus dem Bereich des Möbeldesigns bekannt sind, entdeckt man auf dieser ISH immer wieder. Beispielsweise bei Ideal Standard: Hier wurden Ludovica und Roberto Palomba beauftragt, einen 1972 von Paolo Tilche entworfenen Klassiker neu zu interpretieren. Die neue Conca-Kollektion des italienischen Designerpaars trägt deutlich schlankere Konturen als ihr Original – eine qualitative Errungenschaft, der seit der Saphirkeramik von Laufen immer mehr Hersteller hinterhereifern, ob Duravit, Toto oder Villeroy & Boch.

Unterdessen befassen sich die Erfinder der filigransten aller Badezimmerkeramiken längst mit dem nächsten Level im Design. Das Amsterdamer Studio Marcel Wanders brachte seine New Classic-Kollektion für Laufen zur Marktreife. Die Produktserie ist Wanders-typisch opulent: Waschtische, deren Form an Tulpenblüten erinnern, getragen von zarten, geschwungenen Holzbeinen, ergänzt um Spiegelrahmen aus Keramik. Dazu passende Armaturen, die von Säulen inspiriert sind. Den Gegenpol dazu bildet Konstantin Grcics aufs Äußerste minimalisierte Serie Val – ihr fügt der Designer nun eine Reihe kompakter Waschtischlösungen für begrenzten Raum hinzu. Und auch Patricia Urquiola hat ihre Produktreihe Sonar weiterentwickelt. Das neue Glanzstück der Familie ist eine freistehende ovale Badewanne aus Laufens Hightech-Material Marbond, mit integrierter Armaturenbank und optionaler Ablageschale. Darüber hinaus wurde Sonar um Unterbaumöbel und einen Hochschrank ergänzt. Die imposante Kulisse für alle Laufen-Neuheiten liefert ein Standkonzept von Fuhrimann Hächler Architekten aus Zürich.

Weltretten per Abort
Dass Design über bloße Formgebung hinausgeht, beweist Laufen auf der oberen Etage seines Standes. Die Innovation ist mit dem Namen Safe! betitelt und wird derzeit auch als Teil der Mailänder Triennale präsentiert. In einer Kooperation zwischen Laufen, dem Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag und dem österreichischen Designstudio EOOS wurde ein WC entwickelt, das Fäkalien und Urin auf getrenntem Weg abführt. Anlass für das Projekt waren Studien, die den zu hohen Stickstoffgehalt aus Urin in Abwässern als ernstzunehmende Umweltbedrohung erkannt haben. Mithilfe von Bioreaktoren sollen Nährstoffe aus aufgefangenem Urin herausgefiltert sowie Medikamentenrückstände und Hormone neutralisiert werden. Zurück bleibt ein einwandfrei verwendbares Düngerkonzentrat namens „Aurin“.

Daneben sind die meisten WC-Angebote der Messe insbesondere dem Thema Duschtoilette gewidmet. Fast jeder namhafte Aussteller hat eins im Programm. Die Berührungsängste mit den technisierten WCs sinken – das bestätigen die Hersteller und das spürt man auch am Interesse der Besucher auf der ISH. Derweil herrscht Uneinigkeit unter den Firmen, ob nun die in die Keramik integrierte Technik die bessere Lösung ist, oder doch eher die Aufsatzvariante – dezent gegen klobig. Bei Geberit entschied man sich für eine Zwischenlösung. AquaClean Sela ist so kompakt konzipiert, dass seine technische Komponente kaum auffällt. Die Strom- und Wasseranschlüsse sind in die Keramik integriert, die eigentliche Duschdüse liegt auf dem Becken auf. Nebenbei hat der Hersteller die Spültechnologie gänzlich neuentwickelt. Das spülrandlose WC wird seitlich, leise und gründlich im kreisförmigen Strudel bespült.

Mit dem Badprogramm ONE räumt Geberit darüber hinaus ordentlich auf. Teile wie Anschlüsse und Siphon verschwinden in der Vorwandinstallation und werden von einer Revisionsblende verdeckt. Zur Kollektion gehört ein Waschtisch, freischwebend oder mit Unterschrank, eine Wandarmatur, ein wandintegrierter Spiegelschrank sowie ein Wandablauf für die Dusche und eine Ablagebox. Auch die erwähnte WC-Spültechnologie gehört zu Geberit ONE. Die Keramik wird von nicht sichtbaren Schrauben gehalten und lässt sich bei Bedarf um -1 bis +3 Zentimeter senken, beziehungsweise anheben. Damit ist auch im höheren Alter noch für einen bequemen Sitz gesorgt.

Generell ist die Anpassungsfähigkeit an jedwede Vorliebe des Anwendenden das große Credo der diesjährigen ISH. Bette liefert mit 500 verschiedenen Farb- und Finish-Kombinationen, unter anderem für seine neuen Waschtischschalen BetteCraft aus glasiertem Titan-Stahl, die wohl größte Auswahl der Messe. Ideal Standard färbt seine Keramiken ebenso keck ein wie Ceramica Globo. Und Dornbracht bringt die Armatur Meta von Sieger Design neben den Standardoberflächen Chrom, Platin matt und Schwarz matt auch in Varianten von Zartgrün und Hellrosa über Dunkelgrau bis hin zu Dark Brass matt heraus.

Alles smart, alles zart
Kür dieser Messe ist die Kombination aus Individualisierbarkeit und smarter Technologie. Nehmen wir Gessi: Das italienische Unternehmen zeigt mit Architectural Wellness ein deckeninstalliertes Schienensystem, das verschiedene Regenbrausen mit Beleuchtung und Musik kombiniert. Das Licht wurde gemeinsam mit Artemide konzipiert. Die Steuerung ist mit einem Touchdisplay in die Spiegelwand integriert. Präsentiert wurde das System bereits 2018 in Mailand. Was an Spielerei grenzt, könnte sich in den kommenden Jahren immer stärker durchsetzen. Ideal Standard etwa probiert sich an einer berührungslosen Armatur mit Display und integriertem Seifenspender für den Objektbereich. Beim Testversuch jedoch erweist sich das Gerät als kaum intuitiv. Hier besteht Nachholbedarf. Grohe schießt am Ziel vorbei und lässt am Sinn und Zweck einer exakten Temperaturdarstellung auf der Oberseite seiner Plus-Armatur zweifeln. Bei Duravit hingegen wähnt man sich bereits in einem neuen Zeitalter. Statt einer digitalen Anzeige gibt es für den Bedienknopf der Armaturenserie D.1 ein zart pulsierendes LED-Licht. Auf Antippen startet und stoppt der Wasserfluss, die Lichtfarbe informiert über die Wassertemperatur, welche per Drehbewegung eingestellt werden kann. Drei „Lieblingstemperaturen“ können vorgespeichert und per „QuickAccess“ abgerufen werden. Das Design stammt von Matteo Thun und Antonio Rodriguez. Der eigentliche Wasserauslass ist elegant und ultraflach geformt und kommt in Oberflächen aus Chrom oder Schwarz matt. Alternativ gibt es zudem einen analogen Bedienhebel.

Genügte einst der Kerzenschein am Wannenrand um für absolute Entspannung zu sorgen, sollte es mittlerweile der Videoscreen sein. So jedenfalls stellt es sich Hansgrohe vor: Mit RainTunes läutet der Schwarzwälder Armaturenhersteller „eine neue Ära des Duschens ein“. Per App kann aus sieben verschiedenen Stimmungen gewählt werden. Eine LED-Wand spielt daraufhin etwa einen Sonnenaufgang ab, während auch Wasser, Ton und Duft auf dieses morgendliche Duscherlebnis abgestimmt sind. Kombinierbar ist die RainTunes-App mit anderen Smart-Home-Anwendungen wie beispielsweise Philips Hue. Teil des Systems ist eine völlig neue Brause- und Armaturenfamilie: Rainfinity umfasst eine wandinstallierte Kopfbrause, die sich neigen und unterschiedlich bespielen lässt, eine deckeninstallierte Version, verschiedene Handbrausen und eine Schulterbrause. Wer nicht auf App-Steuerung umsteigen mag, kann die Dusche per fest installierter Wandtaster und Drehknauf bedienen oder mithilfe von frei platzierten Bluetooth-Schaltern. Mit weiteren Schaltern im selben Look lässt sich unter anderem auch Musik von der Dusche aus steuern.

Skulptur und Experiment
Am Stand nebenan glänzt Axor mit seiner neuen High-end-Armatur Axor Edge von Jean-Marie Massaud. Der Franzose stellte das Unternehmen auf die Probe und lässt sie nun Armaturen mit einer Oberfläche von nie gesehener Präzision herstellen. Die erforderliche Technik dafür stammt aus der Raumfahrtentwicklung und musste am Produktionsort in Schiltach eigens im Reinraum und auf einem vibrationshemmenden Untergrund installiert werden. Massaud erklärt während der Präsentation: „Die Kollektion ist keineswegs dekadent, sie ist elegant wie ein Juwel“, was sich dann auch in der feinen Struktur der flacon-haften Mischerkartusche widerspiegelt. Auch Edge ist ausdrücklich individualisierbar, ist Skulptur und Architektur. Entfernt erinnert die Armaturenfamilie an Frank Lloyd Wrights „Fallingwater“ (1939), aber auch an Rietveld – was wohl kaum beabsichtigt und doch verblüffend ist. Denn wieder bezieht sich neues Design auf alte Referenzen.

Vom großen Entwicklungsschub ausgenommen bleibt – und das verwundert – die Badmöblierung. Einzig bei Burgbad gibt es modulare Möbel, die Ankleide, Badezimmer und Schminkplatz zu verbinden versuchen. Das große Highlight bei dem Sauerländer Hersteller ist aber zweifelsohne die Möbelkollektion von Stefan Diez und seinem Team. „Please do not touch“, heißt es am Burgbad-Stand. Wurde rgb noch vor wenigen Wochen auf der imm in Köln als Prototyp gezeigt, sind in Frankfurt deutliche Fortschritte zu bestaunen. Möbel aus Glas, deren Farben sich grafisch an der Wand reflektieren, Steinplatten, die schwerelos zu schweben scheinen – das hat es so noch nicht gegeben.

Vor allem aber zeigen solche Experimente: Das Konzept Bad darf neu gedacht werden. So wie auch VitrA Bad mit Plural die klassische Badezimmerausstattung aufbricht, um Holztische und frei platzierte Waschtische ergänzt und so zum morgend- und abendlichen Treffpunkt macht. Viele der ISH-Neuheiten machen Lust darauf, sie auszutesten. Sie überzeugen, lassen aber dennoch eine alles entscheidende Frage offen: Wie fühlt sich die Zukunft an, wenn das Bad leider nur wenige Quadratmeter misst? In Anbetracht der fortschreitenden Urbanisierung wünscht man sich hierfür neue Ideen. Auch wenn Alape mit Steel19 einen kompakten Waschplatz mit Armatur und Staufläche aus einem Guss anbietet und Bette mit BetteSpace eine Badewanne mit höchstmöglichem Raum auf optimierter, trapezförmiger Grundfläche. Es fehlen sichtbare Konzepte, Kooperationen mit Innenarchitekten, die auch Kleinst- oder Schlauchbädern die Gelegenheit geben, Oasen zu werden. Oder ist es doch an der Zeit, die Hüllen fallenzulassen und, nachdem bereits Küche und Wohnzimmer zu einer Einheit geworden sind, nun auch das Bad in die Wohnräume einzugliedern? Ein paar Aussteller deuten es bereits an. Hoch lebe das Loft!

Fotos: Dornbracht